Liebe Amtskollegen Jan Mazini und Tomas Sazecek, lieber Herr Lipsky
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, werte Gäste aus Ustek und aus Hainichen
Der spanische Schriftstelle Balthasar Gracian y Morales hat einmal gesagt „Freundschaft ist eine Tür zwischen zwei Menschen. Sie kann knarren, sie kann klemmen, aber sie ist nie verschlossen.“ Auch wenn es in Hainichen nie Stadttore gab, die Tür der Städtepartnerschaft stoßen wir heute mit dem heutigen Festakt weit auf. Und anstelle der offenen Stadttore haben wir sie heute auf unseren Willkommenstafeln an den Ortseingängen begrüßt.
Die Städtepartnerschaft zwischen Ustek und Hainichen überbrückt die verhältnismäßig kurze Entfernung von rund 140 Kilometern. Sie verbindet nicht nur zwei Städte sondern auch zwei Staaten der Europäischen Union miteinander.
Das Erzgebirge ist nicht nur eine natürliche Grenze zwischen Sachsen und Tschechien, es ist auch eine Sprachgrenze. Während doch viele Tschechen ein paar Worte deutsch sprechen, gibt es in Deutschland leider recht wenige Bewohner, welche die in meinen Ohren sehr wohlklingende Sprache, für mich kommt Tschechisch gleich nach dem Italienischen, unserer südlichen Nachbarn beherrschen. Ahoi – dobry den – Pivo – das war es dann meistens schon. Zunehmend, so habe ich den Eindruck, ersetzt gerade bei der Konversation der jungen Leute das Englische die Sprachbarriere und das ist auch sehr gut so. Wir konnten das sehr gut bei unserem Besuch in Ustek vor ein paar Wochen und auch heute beim Stadtrundgang merken. Über die Hälfte der Gespräche wurden auf Englisch geführt.
Vor 29 Jahren entschied sich der Hainichener Stadtrat für eine Partnerschaft zwischen der Dorsten in Nordrhein-Westfalen und Hainichen. Seither gibt es jedes Jahr sehr herzliche Begegnungen zwischen Menschen unserer beiden Städte auf persönlicher, sportlicher und kultureller Ebene. Die langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Hainichen-Dorsten, Carmen Fischer, zählt heute zu unseren Gästen. Vom Dorstener Bürgermeister Tobias Stockhoff soll ich sie herzlich grüßen, er kann heute aufgrund anderer terminlicher Verpflichtungen nicht bei uns sein.
Aufgrund der Tatsache, dass deutsch deutsche Städtepartnerschaften im Jahr 29 der Wiedervereinigung von Deutschland nicht mehr die Bedeutung haben, wie kurz nach der Wende, als beim Aufbau einer Verwaltung nach bundesdeutschen Muster Unterstützung bitter nötig war, aber auch um den europäischen Gedanken zu stärken, habe ich mich schon seit einigen Jahren nach einer Partnerstadt in Tschechien umgeschaut und konnte mir dabei auch immer der Unterstützung des Hainichener Stadtrats sicher sein. Zahlreiche Stadträte sowohl aus Hainichen als auch aus Ustek sind heute erfreulicherweise auch in unserer Mitte.
Am Dienstag, 29.1.2019 war es dann endlich soweit: Mit einer fünfköpfigen Hainichener Delegation statteten wir Ustek einen Besuch ab und waren von der warmherzigen Begrüßung durch Herrn Mazini, Herrn Sazecek, Herrn Polak, Herrn Lipsky und weiteren Personen sehr angetan. Die Chemie stimmte gleich von Anfang an und so bedurfte es keiner mehrfachen Besuche und Gegenbesuche und wir können diese Städtepartnerschaft bereits nach so kurzer Zeit heute begründen. Es war sozusagen „Liebe auf dem ersten Blick“.
Ich habe mal gegoogelt und muss feststellen: Die Liste bestehender deutsch/tschechischer Städtepartnerschaften ist gar nicht so lang, wie man eigentlich bei der langen gemeinsamen Grenze denken sollte.
Neben so bedeutenden Städten wie Chemnitz und Usti nad Labem, Augsburg und Liberec, Gera und Pilsen, Nürnberg und Prag, Baden Baden und Karlsbad gibt es auch kleinere Partnerschaften wie Marienberg und Most, Mittweida und Ceska Lipa und Olbernhau und Litivinov. Es dürfte aber weit unter 100 solcher Vereinigungen geben.
In diesem Jahr erinnern wir uns in Europa an 80 Jahre Ausbruch des 2. Weltkriegs, aber auch 30 Jahre friedliche Revolution in den Staaten des Warschauer Pakts. In Tschechien spricht man heute immer noch von der samtenen Revolution. Vaclav Havel wurde über Nacht zu einem der angesehensten Menschen weltweit und löste über Nacht Ivan Lendl, Martina Navratilova, Pan Tau und Karel Gott als bekannteste Tschechen in Deutschland ab.
Vor rund 80 Jahren wurden in ganz Europa durch die Ideologie der Nationalsozialisten unglaubliche Verbrechen im Namen des deutschen Volks verübt. Ich kann mich noch gut an meine Jugendzeit erinnern, als man bei Besuchen in Frankreich oder den Niederlanden ganz leise sprechen musste, wenn man sich auf Deutsch unterhielt und trotzdem immer wieder unfreundliche Blicke erntete. Ich kannte Menschen in den von Nazis besetzten Staaten Europas die sich schworen, nie wieder einem Deutschen die Hand zu geben.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs folgte die Vertreibung vieler Deutscher aus den Orten, wo sie und ihre Vorfahren oft seit Jahrhunderten gelebt haben. Auch dabei geschah viel Unrecht. Dennoch werde ich bei all den Diskussionen nicht müde zu betonen, dass es die Deutschen gewesen sind, von denen das Unheil ausging. Opfer waren Frauen, Kinder und alte Menschen. Diese waren genauso unschuldig wie die Personen in den Jahre vorher von der Wehrmacht überfallenen und annektierten Orten.
Die Völkerfreundschaft mit den sozialistischen Bruderstaaten war zwischen 1949 und 1989 staatlich verordnet. Dennoch entstanden auf privater Ebene manche Freundschaften, die oft auch heute noch existieren. Hainichen pflegte seinerzeit gute Kontakte nach Ceska Lipa. Wir kehren heute sozusagen in diese Zeit zurück, denn Ceska Lipa und Ustek trennen nur 25 km.
Erstaunt war ich, als ich beim Besuch vor 2 ½ Monaten erfuhr, dass man gar kein Problem damit hat, wenn wir von Auscha und nicht von Ustek sprechen. Koloman Polak sprach gar von einer langjährigen deutschen Staat die wir besuchen. Von den 1945 rund 2.000 Einwohnern Usteks waren seinerzeit 99 % deutscher Abstammung.
Heute würde man sich in Ustek sogar freuen, wenn einige der Nachkommen heute in die Heimat ihrer Vorfahren zurückkehren würden. Schon dieser Gedanke war über Jahrzehnte im deutsch tschechischen Verhältnis völlig undenkbar.
War das Verhältnis eben wegen dieser geschichtlichen Spannungen vor 30 Jahren noch problembehaftet und es wäre gar nicht so unproblematisch gewesen, wenn wir beim Besuch in Tschechien die alten deutschen Namen genannt hätten, so ist diese Situation einem heute sehr entspannten Miteinander gewichen.
Diese Gemeinsamkeit haben wir insbesondere der Europäischen Union zu verdanken. Wer hätte vor 30 Jahren geglaubt, dass wir einmal von Dresden nach Prag fahren können, ohne überhaupt unseren Pass zeigen zu müssen.
Wir haben viele Dinge gemeinsam in unseren beiden Ländern. Konzentrierten sich die Beziehungen noch vor 20 Jahren häufig auf den Einfall von ganzen Horden deutscher einkaufswürdiger Besucher auf den vermeintlich so billigen Tschechenmärkten, so ist die heutige Situation glücklicherweise eine ganz andere. In den großen Einkaufszentren in Dresden oder Chemnitz trifft man zunehmend auf Verkäuferinnen mit einem tschechischen Anstecker an der Bluse. Dieser steht für „ich spreche Tschechisch und Besucher aus unserem südlichen Nachbarland sind uns hier herzlich sehr willkommen“
Wir sollten diesen europäischen Gedanken pflegen und vertiefen. Jahrhunderte war unser Kontinent von inneren Streitigkeiten und Kriegen geprägt. Solange bis wir anfingen, das gemeinsame europäische Haus zu errichten, haben wir uns immer wieder gegenseitig die Köpfe eingeschlagen.
Die Europäische Union ist in meinen Augen das größte weltweite Friedensprojekt überhaupt.
Deutschland genießt heute wieder weltweit hohes Ansehen, was bei unserer nicht immer weißen Vergangenheit nicht selbstverständlich ist. Wenn heute mit der Städtepartnerschaft Ustek-Hainichen diese so elementar wichtige europäische Union ein klein wenig mehr zusammenwächst, dann ist es aller Mühen wert, diesen Schritt gegangen zu sein.
Die Bürgerinnen und Bürger von Ustek und von Hainichen sind aufgerufen, auf privater, sportlicher, kultureller und politischer Ebene viele Kontakte auszutauschen. Und wenn es für diese Begegnungen sogar finanzielle Anreize über die europäische Union gibt, dann ist jeder Euro und jede Krone davon gut angelegtes Geld.
Möge der heutige Tag ein geschichtliches Datum in unseren beiden Städten sein und der Auftakt eines regen persönlichen Austausches.
Dieter Greysinger
Bürgermeister
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